Koalitionsvertrag 2016 bis 2021

GEW- Einschätzung

Licht, Schatten und Spielräume – die Finanzierung dagegen ungewiss

Die GEW Frankfurt hat in zwei Offenen Briefen Mindeststandards für die Bildungspolitik in den kommenden 5 Jahren gefordert. Jetzt geht es uns darum, den inzwischen von allen beteiligten Parteien verabschiedeten Koalitionsvertrag in Bezug auf unsere Forderungen zu betrachten und zu bewerten. Uns  ist klar, dass in einem Koalitionsvertrag nicht alles detailgenau geregelt werden kann und auch gewisse Spielräume notwendig sind. Auch ist uns klar, dass ein Koalitionsvertrag dreier Parteien ein bestimmtes Maß an Kompromissen enthalten muss. Aus diesen Gründen wollen wir auch keine „Durchschnittsbewertung“ des gesamten Bildungsteils vornehmen, sondern die einzelnen Punkte differenziert in den Blick nehmen und analysieren.

Wir begrüßen es, dass die Koalitionsparteien im Bau und der Sanierung von Schulen und Kindertagesstätten eine prioritäre Aufgabe sehen, was daran deutlich wird, dass dieses Thema an unterschiedlichen Stellen im Koalitionsvertrag behandelt wird. Wir vermissen allerdings Aussagen dazu, woher die notwendigen Mehreinnahmen kommen sollen, um diese Aufgabe zu erfüllen. Im Abschnitt Finanzen ist davon die Rede, dass kurzfristig Kredite aufgenommen werden sollen für Investitionen, die langfristig durch Mehreinnahmen wieder abgezahlt werden sollen. Beim Ausbau der Infrastruktur von Bildung, wie auch dem Wohnungsbau, handelt es sich allerdings um Aufgaben, die eben aufgrund des weiterhin zu erwartenden Bevölkerungswachstums einer langfristigen Planung bedürfen, deren finanzielle Umsetzung abgesichert ist.

Es ist nicht einzusehen, warum eine – wenigstens zeitlich begrenzte – Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes so kategorisch ausgeschlossen wird, wenn so große Investitionen in Frankfurts Bildungseinrichtungen und damit Frankfurts Zukunft anstehen!

Gewinnung von Erzieherinnen und Erziehern

Um mehr Menschen für den Beruf der Erzieherin / des Erziehers zu gewinnen ist es richtig, Anreize zu schaffen, wobei wir es notwendig finden, dass diese von finanzieller und infrastruktureller Art sind. Was allerdings durch Anreize, welcher Natur auch immer, nicht gemildert wird, sind die zunehmenden Arbeitsbelastungen, die sich aus den gestiegenen Anforderungen ergeben, wie sie auch im Koalitionsvertrag benannt werden.

Ziel sollte nicht nur sein, neue KiTa`s mit Personal ausstatten zu können, sondern den Personalschlüssel in allen KiTa`s zu verbessern, um insbesondere genug Zeit für Dokumentationsarbeiten zu haben und im Falle eines hohen Krankenstandes weiterhin eine qualitativ hochwertige pädagogische Arbeit leisten zu können. Dass der Beruf der Erzieherin / des Erziehers unattraktiv ist, liegt nicht nur an der Entlohnung, sondern auch daran, dass es aufgrund der sich aus den Bedingungen ergebenden gesundheitlichen Belastungen zunehmend schwieriger wird, ihn bis zum Ende des Erwerbslebens auszuüben. Die Stadt Frankfurt kann Einfluss nehmen auf die Arbeitsbedingungen beim Eigenbetrieb KiTa Frankfurt, was mittelbar auch Auswirkungen hätte auf die Standards bei den Kindertagesstätten, die von freien und kirchlichen Trägern betrieben werden.

Schulbau und Sanierung

Es ist gut, dass dieses Thema als eigenständiger Punkt aufgeführt wird. Die Umsetzung des „Aktionsplan Schule“ ist eine Selbstverständlichkeit. Seine Überprüfung und Fortschreibung mit „auskömmlichen Mitteln“ halten wir für eine sinnvolle und notwendige Maßnahme, wobei auskömmlich für uns nur bedeuten kann, dass die zur Verfügung gestellten Mittel deutlich erhöht werden müssen, denn die zusätzlichen 30 Millionen Euro pro Jahr reichen bei weitem nicht aus, um den über Jahre entstandenen Sanierungsstau abzubauen. Wir möchten daran erinnern, dass hier die Zahl von 1 Milliarde Euro im Raum steht, auf die der Rückstand von der SPD und anderen Parteien und Organisationen beziffert wurde.

Gleichzeitig ist es richtig, dass auch im Bereich der Umsetzung des Schulneubaus und der Sanierungen Verbesserungen notwendig sind. Die im Koalitionsvertrag genannte Idee der „Zusammenfassung aller für den Bau und Unterhaltung von Schulen notwendigen Kompetenzen unter einem Dach“, um „Kompetenzen zu bündeln, Abläufe zu verbessern und Zuständigkeiten zu klären“ begrüßen wir, da hier tatsächlich viel Zeit gewonnen werden kann und gleichzeitig Reibungsverluste durch Kompetenzgerangel vermindert werden.

Die derzeitige Situation ist ja so, dass jedes Jahr gut die Hälfte des zur Verfügung stehenden Etats nicht ausgegeben wird. Deshalb reicht auch die genannte Zusammenfassung der Kompetenzen unter einem Dach nicht aus, es muss vielmehr auch zu einer deutlichen Aufstockung des hierfür zuständigen Personals kommen. Wie die „Herausforderungen einer wachsenden Stadt“ (Schulneubauten) und der gleichzeitig aufgelaufene gewaltige Sanierungsstau ohne zusätzliches Personal bewältigt werden kann, erschließt sich uns nicht.

Die zeitnahe und angemessene Information der  Schulen bereits bei potenziellen Maßnahmen und die Einbeziehung  der Kollegien, Personalräte und Schülervertretungen in Arbeitsgruppen vor Ort  begrüßen wir ausdrücklich, da es bisher ja häufig so ist, dass diese Information der Zeitung zu entnehmen ist und eine Beteiligung erstritten werden muss. Aus unserer Sicht sollten außerdem auch die Schulelternbeiräte einbezogen werden.

Unterstützung von Schulen, die Flüchtlinge betreuen

Gerade auch im Hinblick darauf, dass Integration und Bildung in einem hohen Zusammenhang stehen,  ist es positiv zu bewerten, dass die Absicht erklärt wird, Berufsschulen bei der Betreuung und schulischen Integration von Flüchtlingen im Rahmen von InteA  zu unterstützen. Gleiches wird an anderer Stelle auch für den Bereich der allgemeinbildenden Schulen, an denen Intensivklassen für Seiteneinsteiger sind, festgehalten.

Wichtig ist, dass die Art und der Umfang  der Unterstützung schnellstmöglich unter Einbeziehung der Kolleginnen und Kollegen präzisiert, entwickelt und umgesetzt werden. Die Probleme sind an den Schulen vorhanden und müssen jetzt angegangen werden.

Betreuungsgarantie und Ausbau der Ganztagsschulen

Nach den Vorstellungen der neuen Koalition soll es weiterhin ein Nebeneinander von Horten, Erweiterten Schulischen Betreuungen und dem Pakt für den Nachmittag geben. Das ist unserer Meinung nach kein Ausdruck von Vielfalt, sondern von Konzeptlosigkeit. Es geht nicht darum, allen Grundschülerinnen und Grundschülerin in Frankfurt ein identisches Betreuungsformat aufzuzwingen, sondern die Angebote materiell, strukturell und räumlich so auszustatten, dass ein sinnvolles pädagogisches Arbeiten möglich ist. Wir fordern einheitliche Grundstandards bezüglich der Entlohnung und der Qualifikation des pädagogischen Personals, des Betreuungsschlüssels und der Räumlichkeiten. Darunter verstehen wir insbesondere die Anwendung des TVöD.

Es ist zu begrüßen, dass die Regierungskoalition den Ausbau der Ganztagsschulen generell vorantreiben will. Problematisch finden wir, dass weiterhin Konzepte favorisiert werden, die eine echte Rhythmisierung des Schulalltags nicht ermöglichen, denn wenn Eltern zwischen Halbtags- und Ganztagsplätzen wählen können, kann im Nachmittagsbereich kein Pflichtunterricht stattfinden. Unserer Meinung nach hat nur die gebundene Ganztags(grund)schule tatsächlich einen positiven Effekt auf schulischen Erfolg und fördert die Bildungsgerechtigkeit.

Tariftreue und Vergabekontrolle

Wir begrüßen die Einrichtung einer unabhängigen Kontrollstelle zur Überprüfung der Vergabe von öffentlichen Mitteln im Sinne einer tariftreuen Bezahlung, bezweifeln allerdings, dass die Koalitionsparteien unter dem Begriff Tariftreue dasselbe verstehen, wie wir. Die freien Träger der Sozial- und Jugendhilfe erbringen eine Vielzahl an Leistungen aus dem Bereich der kommunalen Pflichtaufgaben. Seit geraumer Zeit wird seitens der Beschäftigten die Forderung, erhoben, dass auch bei den freien Trägern der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes vollumfänglich angewendet wird, wie es bei den Beschäftigten der Stadt im Sozial- und Erziehungsdienst unumstritten ist. Wenn im Koalitionsvertrag nun davon die Rede ist, dass sich „Tariferhöhungen in den Leistungen der Träger wiederfinden“ (S. 22) sollen, wohingegen sich die Entlohnung der Beschäftigten der städtischen Beteiligungsgesellschaften nach ordentlichen Tarifverträgen richtet (S. 50), vermuten wir die Fortschreibung der ungleichen Entlohnung von gleicher Arbeit.

Inklusion

Unsere grundsätzliche Kritik an der Modellregion und deren Umsetzung erhalten wir aufrecht, sehen aber im Koalitionsvertrag durchaus Ansätze, die Situation zu verbessern.

Das Einfordern einer stärkeren Unterstützung durch das Land halten wir für absolut notwendig und unterstützen dies ausdrücklich! Eine bessere Versorgung mit Förderschullehrkräften und kleinere Klassengrößen an den Schulen sind notwendig, um angemessene Bedingungen für die Umsetzung der „Inklusiven Beschulung“ zu schaffen, die derzeit kaum vorhanden sind. 

Die Überlegungen zu weiteren unterstützenden Maßnahmen bedürfen der Konkretisierung, können aber bei richtiger Umsetzung Schulen durchaus in ihrer Arbeit unterstützen.

Schulentwicklungsplanung

Der partizipative Prozess zur Erstellung des Berufsschulentwicklungsplans soll gemeinsam mit den Schulen fortgesetzt werden. Wir wenden uns ausdrücklich gegen die Schließung oder Zusammenlegung von Berufsschulen.

Aus unserer Sicht ist es angebracht, verlorengegangenes Vertrauen in die Zuverlässigkeit von bereits gemachten Zusagen der Stadt zurückzugewinnen, indem der Julius-Leber-Schule das versprochene Gebäude (im sanierten Zustand) der ehemaligen Stoltzeschule als Außenstelle zur Verfügung gestellt wird und die langjährige Unterbringung von Klassen in Containern beendet wird. Dies wurde bereits von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen.

Wir erwarten, dass die Stadt gemachte Zusagen auch einhält!

Der Schulentwicklungsplan der allgemeinbildenden Schulen muss in vielen Bereichen überarbeitet werden. Einerseits müssen die vom Kultusministerium in seinem Genehmigungserlass aufgeführten Auflagen bearbeitet werden. Hier sollten auch die Anmerkungen beachtet werden, wie beispielsweise die bisher fehlenden Beschreibungen und Planungen für die Förderschulen.

Außerdem müssen auch verschiedene beschriebene und kontrovers diskutierte Projekte, noch einmal neu überprüft bzw. überdacht werden. Generell muss die Stadt zu einer langfristigeren, aber auch verlässlicheren Planung kommen und sicherstellen, dass die Projekte auch eine breite Akzeptanz finden. Die jetzt nicht eröffnete Kooperative Gesamtschule Niederrad ist ein Beispiel dafür, dass es nicht reicht, Projekte von oben her festzulegen, sondern dass die Neugründung von Schulen einer sorgfältigen Planung, die neben pädagogischen Aspekten auch eine zuverlässige und tragbare räumliche Lösung berücksichtigt, bedarf. Allgemein bleibt festzuhalten, dass hier eine deutlich höhere Zuverlässigkeit und Transparenz erreicht werden muss.  

Pressemitteilung der GEW Frankfurt