Bildung zur Kriegstüchtigkeit?

Erschienen in FLZ 1-25, S. 10

Interview mit Mark Ellmann (GEW Bayern) über das Bayerische Bundeswehr-Fördergesetz

Worum geht es bei dem Gesetz und was ist die Kritik der GEW?
Mit dem im August beschlossenen Bayerischen Bundeswehr-Fördergesetz soll der Einsatz der Bundeswehr in den Schulen intensiviert und zum Regelfall werden. Dass die Einflussnahme der Bundeswehr-Jugendoffiziere auf die politische Willensbildung der Heranwachsenden – oftmals sind es sogar noch Kinder – nicht neutral verläuft, sondern durchaus parteiisch ausgerichtet ist, ergibt sich aus der Sonderstellung der Bundeswehr in den Klassenzimmern. Der Kinderrechte-Ausschuss des Deutschen Bundestags kritisiert, dass die hauptamtlichen Jugendoffizier:innen einen strategischen Vorteil gegenüber ehrenamtlichen Friedensaktivist:innen haben und „einen privilegierten Zugang zu Schulen oder auch zur Lehramtsausbildung an den Universitäten“ gewährt bekommen.
Um Lernende in die Lage zu versetzen, sich eine eigene Meinung zu bilden, gilt nach dem Beutelsbacher Konsens ein Überwältigungsverbot im Klassenzimmer. Gleichzeitig gilt das Gebot der Kontroversität, demzufolge gegensätzliche Ansichten dargestellt und diskutiert werden müssen. 
Diese pädagogischen Grundsätze werden mit dem im Gesetzesentwurf vorgesehenen Kooperationsgebot und den durch das Bundeswehr-Förderungsgesetz beschlossenen Änderungen im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz ad absurdum geführt.
 

Darf die Bundeswehr denn überhaupt in Schulen für sich werben?
Nein. Doch die von der Staatsregierung formulierte Zielstellung, dass „auch künftig eine strikte Trennung von politischer Bildung und Unterstützung bei der beruflichen Orientierung gewahrt werden“ soll, ist angesichts der Zielstellung mit der Intensivierung der politischen Bildung durch die Bundeswehr die Einsatzbereitschaft für den Soldat:innendienst zu steigern, widersprüchlich. Für uns stellt sich also die Frage, wie diese Trennung gewährt werden kann. Wir können nicht davon ausgehen, dass das Prinzip der Schüler:innenorientierung in der politischen Bildung gewahrt wird, wenn die parteiliche Darstellung ohne sichtbare, zivile Gegenposition vermittelt wird.

Die in den letzten Jahren gesteigerte Präsenz von Militärs im öffentlichen Raum wirkt sich übrigens nicht nur auf die Rolle von Fachleuten der Bundeswehr in Talkshows oder im Schulunterricht aus. Auch für Hilfsarbeiten werden Soldat:innen vermehrt herangezogen: Ob in der Hochwasser-Hilfe oder zur Mitarbeit in der Schule bei akutem Mangel an Aufsichtskräften. So wurden an einem staatlichen Gymnasium in der Nähe der Bundeswehr-Universität studentische Offiziersanwärter:innen für ‚eine Art Praktikum‘, so Kultusminister Michael Piazolo, defacto als Vertretungslehrkräfte angestellt. Ihr Einsatz erfolgte nach Informationen der GEW vor allem in den Jahrgangsstufen 5 bis 9.
 

Welche Folgen hat diese Werbung bei Jugendlichen?
Unserer Meinung nach ist die Verpflichtung zur Zusammenarbeit auch nicht mit der Bayerischen Verfassung vereinbar, vor allem, weil es kein Widerspruchsrecht gibt. Deswegen werden wir in Kürze unsere Klage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof einreichen.
Dazu kommt: Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes und die Kinderkommission des Bundestags haben die Bundesregierung mehrfach aufgefordert, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben. Hinter dieser Forderung stehen wir auch als GEW. Wir fordern außerdem ein Verbot jeglicher Bundeswehrwerbung bei Minderjährigen, damit die Kinderrechte umfassend verwirklicht werden können. Doch im vergangenen Jahr waren von allen neu eingestellten Soldatinnen und Soldaten 13,9 Prozent minderjährig! Wie in den Vorjahren stellt diese Zahl einen neuen Rekord seit Beginn der Erfassung dar.
 

Das Gesetz betrifft aber nicht nur Schulen, oder?
Der Zugang der Bundeswehr zu den Schulen ist der eine Schwerpunkt des Gesetzes, den zweiten Schwerpunkt des Gesetzes zur Förderung der Bundeswehr bildet das explizite Verbot von Zivilklauseln von Hochschulen und Universitäten. Zivilklauseln sind Selbstverpflichtungen und Bekenntnisse von Hochschulen, zu ausschließlich zivilen Zwecken zu forschen und zu lehren, die die Mitglieder einer Hochschule im Rahmen demokratisch geregelter Prozesse in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung beschließen. Diese Zivilklauseln sind nun verboten in Bayern. „Durch das Verbot sogenannter ‚Zivilklauseln‘, die Wissenschaftlern militärische Forschung verbieten würden, wird bspw. eine reibungslose zivil-militärische Zusammenarbeit an den bayerischen Universitäten sichergestellt.“, so der Bayerische Staatsminister Herrmann im O-Ton. Dies mittels eines gesetzlich verankerten Verbots von Zivilklauseln sicherzustellen, wie es Bayern seit diesem Jahr macht, greift unserer Meinung nach in unzulässigem Umfang in die Autonomie und Selbstverwaltungsstrukturen bayerischer Hochschulen ein.
 

Das Gesetz gilt seit August in Bayern. Was sind die Folgen?
Sicherlich ist die Normalisierung der Militarisierung des öffentlichen Bildungsbereichs durch die juristische Vorgabe zur Kriegsertüchtigung durch die Armee eine direkte Folge des Bayerischen Gesetzes. Auf der anderen Seite beobachten wir jedoch eine intensivierte Debatte um die Notwendigkeit von Zivilklauseln und nicht-militärischer Ansprüche an Forschung, Lehre und Zivilgesellschaft. Unionspolitiker aus Bremen, NRW, Berlin und Hamburg fordern entsprechende Gesetze für den Zugang der Armee zu Schulen oder das Zivilklausel-Verbot für ihre Bundesländer, der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz fordert es sogar bundesweit und bezeichnete Zivilklauseln als „nicht mehr zeitgemäß“. Wir sagen: friedensfähig statt kriegstüchtig werden! 


Mark Ellmann arbeitet in der Landesgeschäftsstelle der GEW Bayern

Informationen über die Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof unter www.gew-bayern.de/bundeswehrgesetz